Berliner Baubilanz 1966

Coverbild Baubilanz 1966
Quelle: Berliner Senat 1966

Die anscheinend erste Berliner Baubilanz wurde vom Berliner Senator für Bau- und Wohnungswesen im Januar 1966 in Berlin (West) herausgebracht.

Diese Baubilanz beschreibt Berlin als große Baustelle und gibt einen knapp gefaßten Bericht über die Bauleistung der deutschen Hauptstadt der 20 Jahre nach dem Krieg.

Berlin (West) war in diesen Jahrzehnten geprägt vom Wiederaufbau nach Krieg – Wohnungen aber auch viele kommunale Bauten wie Schulen und Krankenhäuser. Die Baubilanz 1966 thematisiert daher viele Neubauten, neue Viertel und den Ausbau öffentlicher Infrastrukturen.

Die Baubilanz 1966 bestand zum Großteil aus Karikaturen und Zeitungsauschnitten und nur wenigen Texten und Fotos. In den 70er Jahren gab es zwei weitere Baubilanzen, gefolgt von zwei-jährlichen Baubilanzen in den 80er Jahren.

Übersicht

Auf wenigen Seiten beschreibt der Berliner Senat in der Baubilanz 1966 als kleines Geschichtsbuch die Stadtentwicklung von Westberlin bis zu den 1960er Jahren als Rückblick. Die Baubilanz sprach noch häufig von der Wiedervereinigung der Stadt.

Eigene Zusammenstellung, aus: Berliner Baubilanz 1966
Bereich Schwerpunkte Themen
Bauen und Wohnen Wohnungsbau
Hansaviertel
Neubauten und neue Viertel
Stadtplanung
Farbe und Kunst
Bildungsinstitute Kunst und Innenstadt
Wissenschaft
Deutsche Oper, Museen, City-West
Universitäten, Wohnheime, Klinik
Verkehr U-Bahn
Straßenbau
Verlängerung und Ausbau U-Bahn,
Stadtring und Avus, Signalanlagen
Öffentlicher Raum Erholung Grünflächen, Spielplätze
Kommunales Kommunale Hochbauten Schulgebäude, Turnhallen, Hallenbäder,
Kliniken, Heime

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Bauen und Wohnen

Zahlen spielten, mit Fotos vom Wiederaufbau, nur eine knappe Rolle in der Baubilanz 1966, Karikaturen und Schlagzeilen aus der Presse waren in dieser ersten Bilanz deutlich wichtiger und nicht für die Ewigkeit gedacht.

Wohnungsbau

Im Berlin (West) der Nachkriegszeit wurden nach der Blockade [1948-1949] 280 Tsd. Wohnungen gebaut, davon 257 Tsd. mit öffentlichen Mitteln. Jeder dritte Westberliner lebte 1966 in einer neuen Wohnung.

Der Wohnungsbau war der größte Posten im jährlichen Bauvolumen Westberlins, im Programm 1965 2,4 Mrd. DM. Die Durchschnittsgröße der Wohnung im Bauprogramm stieg von 53m² in 1952 auf 56m² in 1960 und 69m² in 1965.

Mehrere Großprojekte standen in den 60ern in Berlin (West) an:

Im Rahmen der internationalen Bauaustellung baute Le Corbusier 1957 die Unité d’habitation "Typ Berlin" mit 527 Wohnungen in 17 Geschossen.

Foto Berliner Baubilanz 1966 - Bauen Foto Berliner Baubilanz 1966 - Bauen
Corbusierhaus (links) und Siedlung Charlottenburg-Nord (rechts) 1966

Hansaviertel

Das Hansaviertel in Berlin-Tiergarten wurde im Krieg fast vollständig zerstört. Ursprünglich nach 1875 in klassischer Art mit Vorder-, Hinterhaus und Seitenflügel gebaut, war es trotz seiner engen Höfe ein bevorzugtes Wohnviertel.

Der Senat beschloß 1953 den Wiederaufbau mithilfe 14 namhafter internationaler Architekten – das neue Hansaviertel war der Kern der internationalen Bauaustellung Berlin 1957 mit einigen fertigen und im Bau befindlichen Wohnungen.

Foto Berliner Baubilanz 1966 - Bauen Foto Berliner Baubilanz 1966 - Bauen
Hansaviertel vor der Zerstörung (links) und das neue Hansaviertel (rechts) 1966

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Bildungseinrichtungen

Kunst und Innenstadt

Die Baubilanz 1966 sprach von einer nahen Wiedervereinigung – die City des wiedervereinigten Berlin wird vom Alexanderplatz bis zum Zoogebiet reichen. In der westlichen City entstehen auf Initiative der Wirtschaft zahlreiche Neubauten sowie Gebäude für Kunst und Wissenschaft rund um Ernst-Reuter-Platz und Hardenbergstraße.

Foto Berliner Baubilanz 1966 - Bauen Foto Berliner Baubilanz 1966 - Bauen
Breitscheidplatz (links) und Hardenbergstraße (rechts) 1966

In der Zeit fertig wurden Schillertheater, Amerika-Gedenkbibliothek (Kreuzberg), Kongreßhalle, Deutsche Oper, Akademie der Künste, Freie Volksbühne und Philarmonie. Geplant waren ein Ausstellungsgebäude für die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts durch Mies van der Rohe (später die neue Nationalgallerie), die Staatsbibliothek und ein Museum für christlich-abendländische Kunst.

Foto Berliner Baubilanz 1966 - Bildung Foto Berliner Baubilanz 1966 - Bildung
Deutsche Oper (links) und Ernst-Reuter-Platz (rechts) 1966

Wissenschaft

Der Ausbau der beiden Westberliner Universitäten war besonders wichtig für den Berliner Senat. Für die Freie Universität (FU Berlin) wurden bis 1966 133,3 Mio. DM ausgegeben, dazu 302 Mio. DM für das Klinikum (Steglitz, später Benjamin-Franklin). Für die Technische Universität (TU Berlin) wurden bis 1966 189,6 Mio. DM beansprucht.

Studentenwohnheime mit 3.100 Plätzen wurden neugebaut, weitere 300 Plätze sind im Bau und weitere geplant.

Foto Berliner Baubilanz 1966 - Kommunales Foto Berliner Baubilanz 1966 - Kommunales
Universitätsklinikum Steglitz (links) und Studentensiedlung Siegmundshof (rechts) 1966

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Verkehr

U-Bahn

Öffentlicher Nahverkehr, vor allem mit U-Bahnen, war unerläßlich, um Pendler im Berufsverkehr schnell, sicher und bequem zu befördern und die Verkehrsprobleme einer Großstadt nicht nur mit Straßen zu lösen. Das U-Bahnnetz Westberlins wuchs daher seit 1953 von 80km auf über 100km mit 117 Stationen.

Viele Verlängerungen und Erweiterungen der Westberliner U-Bahnlinien waren in den 60ern im Bau – noch in der alten Buchstaben-Nomenklatur und Linienführungen vor der Umstellung auf Zahlen und das später gebräuchliche Liniensystem.

Planung U-Bahnbau Berlin 1966
Linie Status Abschnitt Länge Später
C Verlängerung 1958 Seestraße nach Tegel 6,5km U6
C1 Verlängerung 1963 Grenzallee bis Britz-Süd 3km U7
C Verlängerung 1966 Tempelhof bis Alt-Mariendorf 3,4km U6
G Neue Linie 1961 Leopoldplatz bis Spichernstraße 7,2km U9
H in Bau Mehringdamm bis Fehrbelliner Platz 6,3km U7
G in Bau Spichernstraße bis Rathaus Steglitz 4,8km U9
C1 in Bau Grenzallee bis Alt-Rudow 4,4km U7

Die U-Bahnplanung sah die Wiedervereinigung mit Ostberlin vor und war auf das S-Bahnnetz abgestimmt, in der wiedervereinigten Stadt würden sich S-Bahn und U-Bahn ergänzen. Straßenbahnen fielen dagegen in Berlin (West) aus der Mode – 34 Linien die den Verkehrsfluß beeinträchtigten konnten eingestellt werden. In 10 Jahren sollte es keine Straßenbahnen mehr in Berlin geben.

Foto Berliner Baubilanz 1966 - Verkehr Foto Berliner Baubilanz 1966 - Verkehr
U-Bahnbau am Zoo (links) und U-Bahnhof Spichernstraße (rechts) 1966

Straßenbau

Dem Ausbau des Straßennetzes wird 1966 noch sehr große Priorität eingeräumt und für den Wirtschaftsverkehr einer Weltstadt ausgebaut. Dabei sah der Senat in seiner Planung die gesamte Stadt. Der ÖPNV sollten für den Berufsverkehr erweitert und verdichtet werden.

Die Motorisierungsziffer in Westberlin lag 1966 noch bei 1:7 (= Motorisierungsgrad von 142) für die Zukunft werden geplant mit 1:4,5 (= Motorisierungsgrad von 222).

Foto Berliner Baubilanz 1966 - Verkehr
Stadtring und Avusverteiler 1966

Für den zukünftigen Verkehr würde selbst ein dichtes Straßenraster nicht ausreichen, weswegen der Senat ein kreuzungsfreies Autobahnsystem plante, mit einem Stadtring um die Innenstadt in einer Länge von 45km und vier anbaufrei und kreuzungsfreien Tangenten zum Stadtkern.

Die Verbindungen zum Berliner Ring im Umland stellten Autobahnzubringer und Bundesstraßen her. Vom Autobahnnetz waren 1966 im freien Teil der Stadt bereits 36,6km ausgebaut, davon fertig 18,3km im Stadtring und der Avus. In Bau waren 3,9km Stadtring und 3,6km Westtangente.

Verkehrssicherheit wurde durch 5.000 Verkehrsampeln und neun Grüne Wellen hergestellt, zentral gesteuert und überwacht. Eine verkehrsabhängige elektronische Steuerung war in den nächsten Jahren geplant.

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Öffentlicher Raum

Erholung

Foto Berliner Baubilanz 1966 - Raum
Grunewaldturm 1966

Mehr als ein Drittel der Fläche von Berlin (West) waren in 1966 Grünflächen, Wälder und Gewässer. Seit dem Ende der Blockade wurden 22 Mio. m² öffentliche Grünanlagen wiederhergestellt und 14 Mio. m² neu angelegt.

Die Westberliner Verwaltung richtete 635 Spielplätze ein, mehr als 1.000 davon gab es in neuen Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus. Landeseigene Sportplätze sind 4 Mio. m² groß.

In Dauerkolonien gibt es 7.700 Kleingärten (Schrebergärten); viele Naturdenkmäler säumen die Berliner Landschaft, 96 km² unterliegen dem Landschaftsschutz. Auf Berliner Seen, Flüssen und Kanälen verkehren 74 Fahrgastschiffe von 33 Reedereien an 138 Anlegestellen.

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Kommunales

Kommunale Hochbauten

Ein Schwerpunkt des Aufbaus nach der Blockade waren Bildungs-, Sport- und Betreuungseinrichtungen – so wurden 50 zerstörte Schulen wiederaufgebaut, 16 weitere waren in Bau. Für den Sport wurden 142 Turn- und Sporthallen gebaut, drei Hallenbäder neu eröffnet und drei weitere geplant, zusätzlich zu sieben neuen Sommerbädern.

Viele Kindertagesstätten, Heime und Jugendhäuser wurden gebaut – insgesamt 157. In 64 Altenheimen und Wohnheimen lebten 1966 8.720 Bürger unserer Stadt.

Neben dem Klinikum der Freien Universität in Steglitz mit 1.450 Betten, das 1968 fertiggestellt werden sollte (siehe auch oben), wurde mit dem Bau eines Krankenhauses in Kreuzberg mit 840 Betten begonnen.

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Quellen

Die Hauptquelle dieses Artikels und der Bilder ist die Berliner Baubilanz in Karikaturen, Luftbildern und Schlagzeilen, Senator für Bau- und Wohnungswesen, Januar 1966, Berlin (West).

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